Cornelia Schleime
 

Texte / Statements der Künstlerin

Malerei ist wie ein Schwamm, der Aggressivität und Melancholie aufsaugt. In ihr gerinnt Zeit, im
Medialen fließt sie hindurch. Ich habe immer eine Skepsis, wenn Kunst sofort auf das
Zeitgeschehen reagiert, denn ich möchte in der Kunst keine Meinungen vertreten, nur
Standpunkte, die aber brauchen Zeit zum Wachsen. So bin ich einer Distanz verpflichtet, auch
gegenüber mir selbst. Wer mich aber kennt, weiß um meine Spontaneität, was hierzu eigentlich
im Widerspruch steht.

Verlässlichkeit gibt es in der Kunst nicht. Das, was andere von Dir erwarten, musst Du oft genug
enttäuschen. Der Beruf des Malers ist ein einsamer Beruf, Du musst Dich selbst schon aushalten
können. Ich kann mich nur aushalten, wenn ich male, sonst bin ich unerträglich.

Wenn ein Künstler davon spricht, dass er genial ist, ist er betrunken von sich selbst.
Nur ein universelles Empfinden kann einen Künstler stark machen, aber dies braucht keine
Worte. Er kann Bilder hervorbringen, da dies eine Möglichkeit der Annäherung ist, sich dem
Nichtwissen zu nahen. Nicht-Wissen bedeutet sich von den Fesseln zu lösen, die das Wissen
und dessen logische Zusammenhänge ausmachen.

Ist das "lch" aus dem Kunstwerk heraus noch lesbar? Oder sind es nur noch die Strategien, die
das "Ich" atomisiert haben, wie Streusand von Schlagworten? Die Moderne forderte die
Loslösung vom Vertrauten und eine Befreiung von Bindungen. Das strukturelle Problem dieser
gefundenen Freiheit war deren Ziellosigkeit und die Abwesenheit der Bindung zu sich selbst.
Der Begriff der Moderne wird uns nicht weiter verfolgen, weil wir in ihm schon ersoffen sind.
Die kulturellen Traditionen wurden im letzten Jahrhundert in rasender Geschwindigkeit
demontiert, nicht etwa da die Zukunft etwas Besseres versprach, sondern lediglich die
Gegenwart.

Es ist keine Motivation für die Masse zu arbeiten. Nur für eine Sippe lässt sich Knochenarbeit
machen. Der Sozialismus war etwas für Idealisten, davon war ich immer weit entfernt. Deshalb
musste ich raus aus dem Mist.

Kunst ist für mich immer auch, einen Abstand zum Realen zu definieren. Etwas zu machen was
eigentlich nicht gebraucht wird.
Ich male, um vor der fließenden Zeit nicht zu kapitulieren. Dies ist der eigentliche Irrsinn der
Malerei, denn die Zeit fließt schneller als die Farbe, dennoch tue ich es immer wieder. Ich habe
kein Gefühl fur mein Alter, da ich mit dem Pinsel die Zeit einholen will und nicht mit mir selbst.

Malen ist für mich wie das Spielen eines Instruments, ich bekomme sofort ein Feedback. Der Ausdruck, den ich erzeuge, ist von meiner jeweiligen Konstitution abhängig.
Manchmal trieft er gerade von Melancholie. Ein anderes Mal kann er kalt und spröde sein, da das Zeitgeschehen alles aufgeblättert hat, was es an Dummheit bereithält, und mich mit Wut erfüllt, der ich keinen Ausdruck mehr gönne. Dann wieder fühle ich mich versöhnt mit allen Unzulänglichkeiten, werde sanft und glücklich. So, wie ich beim Reisen glücklich bin; den einen Ort gibt es für mich nicht, ich streife sie nur, um das sich eine vage Annäherung an einen idealen Ort ergeben könnte. Ich wäre gern eine Zigeunerin, und das, was ich habe, müsste in eine Hand passen. Stattdessen schleppe ich Aquarelltuschkästen und Zeichenbücher mit mir herum. Hüte, Kleider und Vergangenheit. Wenn ich reise, bräuchte ich eigentlich einen Kofferträger. Wenn ich von einer Reise wiederkomme, brauche ich zwei. Ich bin ein einziger Widerspruch, denn ich suche die Reduzierung und bin doch voll beladen.

Früher ließen sich die Menschen operieren, wenn sie eine Anomalie hatten, heute verschaffen
sie sich eine durch Schönheits - OPs.
Für mich ist es unerklärlich, warum die Menschen in freiheitlichen Gesellschaften so wenig nach
Individualität streben, statt viel mehr nach Uniformität. In meinen Porträts interessieren mich
solche Fragen, aber vor allem interessieren mich schiefe Zähne, zwei linke Hände, oder ein
braunes und ein blaues Auge.

Popkunst verbindet die Menschen in der infantilen Vorstellung von Zusammengehörigkeit, denn
sie beschwört die Massen und nicht das Individuum, deshalb gedeiht sie hauptsächlich in den
Städten. Eigentlich ist Popkunst Volkskunst. Nussknacker und Gartenzwerg.

An jene Stellen, wo die ausgestreckte Hand den Zeichenstift in die Luft hielt, um die räumlichen
Achsen der Verkürzungen seines Gegenübers zu fixieren, ist die Verkürzung selbst getreten.
Wir zeichnen mit einer Wolfspfote unser Verschwinden.

Glück noch Unglück sind für sich allein.
Durch mein Arbeiten hebe ich die Grenzen zwischen äußerer und innerer Welt auf.
Halt gibt mir das Unvorhersehbare, Irrationale, Fragile, Zufällige, Eruptive.
Halt finde ich in mir selbst.

Auch das Nichtarbeiten ist Arbeit, denn es schafft Aggression. Daraus entstehen manchmal
überraschende Dinge, wenn ich dann wieder anfange, natürlich.

Das Wort „Zeitgeist" sagt doch nur, wie wenig die Kunst der Zeit voraus ist.

Die Unmöglichkeit der Empfindungen schafft den Raum für Erklärungen, und davon hagelt es
Gewitter. Ich kann diese Begriffe alle nicht mehr hören. Es traut sich kaum noch jemand zu
sagen, dass ein Bild schön ist. Lieber sagt man es ist interessant, um nicht Farbe zu bekennen.

Meiner Arbeit "Bis auf weitere gute Zusammenarbeit" ging die Einsicht meiner Stasiakten
voraus.
Neben den Berichten, die meinen Ekel gegenüber dem polit. System belegten, trafen mich
besonders jene Berichte, die die inoffiziellen Mitarbeiter über meine Intimsphäre angefertigt
hatten. Als ich diese las, hatte ich das Gefühl, man hätte mir die Vergangenheit gestohlen.
Ich begann meine Arbeit, einer Fotoinszenierung mit Selbstauslöser, bei der ich die beschriebenen
Situationen nachstellte und überhöhte. Als ich diese Arbeit das erste Mal ausstellte, fragte man
mich, wie ich denn auf die Textpassagen gekommen sei, so als ließe sich die eigene Biografie
irgendwo ausleihen. Es waren Künstler, die mich dies fragten und ich begriff auf einmal, dass es
vielen nur noch um das Wie aber nicht mehr um das Was geht.
Ich schrieb dann die Zeilen:
Inhalt weg
Form welch ein Zorn
Orlando spielt gut Violine
Zeichen welch ein Reichen
Von der einen Faust in den anderen Arm

Distanz entsteht aus dem Prozeß persönlicher Erfahrung, Abstraktion auch. Wo vorher nichts war, kann hinterher nichts abstrakt sein.

Niemand kann sich eine Aura geben. Sie ist von allein da, sie geht auch wieder von allein. Sie ist das Selbständigste was es gibt. Sie ist unberechenbar.

Ich finde schon, dass die Kunst immer weniger chronologisch gesehen wird. Es zählt nicht mehr
der Werkcharakter eines Künstlers, sondern dessen Punktauftritt. "Der Weg ist nicht Alles, dass
Produkt ist Alles" Dadurch gibt es in der Kunst kaum noch einen Unterschied zur eigentlichen
Warenproduktion.
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