Cornelia Schleime |
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Interview mit der Künstlerin / Christiane Bühling |
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Cornelia Schleime Ich folge einer inneren Sehnsucht ... Ch.B.: Deine Produktion der letzten 12 Jahre wirkt auf den ersten Blick sehr heterogen. Du hast sehr unterschiedliche Motive verarbeitet: Mäuse, Porree, Kaffeekannen, Frauenportraits, Mädchen mit Zöpfen. Man überlegt natürlich als Betrachter, was haben diese verschiedenen Sujets eigent- lich gemeinsam, oder sind es serielle Arbeiten, die abrupt beendet werden und letztlich gar nichts miteinander zu tun haben? C.Sch.: Die Gemeinsamkeit aller Arbeiten ist der subjektive Ausgangspunkt, der meist aus dem persönlichen Erleben entsteht. Die weitere Gemeinsamkeit ist natürlich der Hang zur Übertrei- bung, zum Ironischen und Theatralischen. Wenn man zum Beispiel den Porree nimmt, - was hat der Porree mit der Maus oder mit dem Zopfmädchen zu tun? So ist der Porree maßlos übertrie- ben in der Länge des Formats, das Mädchen hat lange Zöpfe, die fast bis zur Erde reichen oder, die sich um den Körper schlängeln können - und die Maus hat auch einen ewig langen Mäuse- schwanz. Die Gemüseserie habe ich abrupt abgebrochen, nämlich dann, als ich merkte, daß ich inhaltlich dem nichts mehr hinzufügen konnte. Ch.B.: Conny, es gibt Bilder, in denen Du mit sehr viel Ironie, Witz und Übertreibung arbeitest, in denen starke Anklänge an Gesellschaftskritik zu finden sind, wie zum Beispiel bei den Soldatenbildern oder Deiner künstlerischen Aufarbeitung von Stasiakten. In anderen Bildern dominiert Zartheit, Zerbrechlichkeit. Ist das für Dich ein Widerspruch oder sind das zwei wich- tige Stränge in Deinen Arbeiten, die eigentlich zusammengehören? C.Sch.: Das Zarte kommt besonders in den Zeichnungen zur Geltung, die intuitiv aus mir ent- stehen. Es bedarf eigentlich überhaupt keiner Anstrengung. Diese Zeichnungen sind in mir, es fließt, und das ist das, was ich kann. Diese Leinwandbilder, ob es die Zöpfe sind oder die Mäuse, bilden für mich eine Herausforderung. Das Aquarell oder die Wasserfarbe, liegt mir sehr, das liegt in meiner Natur, bei den Leinwänden ist das Material sperriger, das Arbeiten an sich ist spröder, so wie auch ich während des Malprozesses spröder werde und eigentlich nicht mehr ansprechbar bin. Die großen Formate brauche ich, um mich selber lebendig zu erhalten, genau diesen Gegensatz von groß und klein, leicht und schwer. Das ist ähnlich wie bei McLaughIin, der sagte, wenn man gut Gitarre spielen kann, dann sollte man Klavier spielen lernen. Das ist genau dieser Punkt, wo ich merke, die Zeichnung und das Aquarell, das kann ich sehr gut und deshalb muß ich mir diese etwas schwereren Bilder, z.B. diese Zopfmädchen, erarbeiten. Ch.B.: Man sollte eigentlich nicht von der Persönlichkeit eines Künstlers Rückschlüsse aufseinen Malstil ziehen, aber weil Du selbst sagst, daß das Subjektive für Dich stark ausschlaggebend ist, möchte ich Dich in dieser Richtung etwas fragen. Du bist ein sehr quirliger, impulsiver Mensch, Deine Bilder wirken aber trotz ihrer Lebendigkeit sehr ausgewogen und klar. Findest Du im Malprozeß, eine Ruhe und Ausgeglichenheit, die Du vielleicht in der Realität nicht findest? C.Sch.: Mit dem Malprozeß finde ich zu mir selber, und ich bin im Grunde dann quirlig, wenn ich nicht male. Das heißt, beim Malen dringe ich zu meinem eigentlichen Wesen vor, das viel ruhiger ist. Aber das Leben in der Gesellschaft zwingt mir permanent Reaktionen ab, und nur wenn ich male, muß ich nicht reagieren, das heißt, ich muß mich nur auf mich selbst konzen- trieren. Deshalb brauche ich dieses Malen. Ich folge einer inneren Sehnsucht nach etwas, von dem ich selbst nicht weiß, wie es aussieht, das in der Arbeit aber Gestalt annimmt. Ch.B.: Man weiß viel über Deine DDR-Biografie, über die Entwurzelung aus der Heimat nach Deinem Weggang aus der DDR, über den Identitätsverlust, auch über den Verlust Deines gesam- ten Nachlasses. Du konntest kein Bild mitnehmen in die Bundesrepublik, und nun hast Du Dich in den letzten zwei Jahren noch einmal künstlerisch mit Deinen Stasi-Akten auseinandergesetzt, in sehr ironischer Manier, eigentlich ohne Verbitterung. Ist dies wirklich so? Ist dieses Thema jetzt für Dich persönlich und künstlerisch abgeschlossen? C.Sch.; Ich denke, das Thema war schon vorher für mich abgeschlossen, sonst hätte ich das Thema der Stasi-Akten gar nicht ironisch in diesen Selbstdarstellungen verarbeiten können. Ich hätte diese Form früher aus der unmittelbaren Betroffenheit auch nicht wählen können, aber als ich damit konfrontiert wurde, lag bereits die Zeit, die ich im Westen lebte dazwischen, in der ich sehr glücklich war, und daheraus war auch eine Distanz zu den Absurditäten dieser DDR da. Es war ohnehin nach dem Verlust meines gesamten Werkes für den Neuanfang im Westen not- wendig, die Vergangenheit abzuwerfen, nach vorn zu sehen und mich in die Arbeit zu stürzen, - vor allem auch, um wieder Bilder für mich selbst zu haben! Ch.B.: Deine ganze DDR-Erfahrung, die rigide Unterdrückung von Individualität und Deine persönliche Befreiungsaktion daraus haben Dich entscheidend geprägt. Aber ist es in Deinem heu- tigen Malprozeß wirklich noch so, daß das einen Einfluß hat? C.Sch.: Ich glaube generell und beziehe hier die Zeit im Osten mit ein, daß Unterdrückung oder Einschränkungen, die ich erfuhr, die Malerei nicht beeinflußten. Die Malerei war oder ist für mich keine Verarbeitungsmaschine für politischen oder persönlichen Notstand. Ich litt sowieso mehr unter der Provinzialität der DDR, als unter ihrer Politik, deshalb kreisten unsere Gespräche im Osten auch so oft um das »Universelle«. Nein, verarbeiten kann ich mit meiner Malerei nichts. Mein Arbeiten soll zweckfrei sein, nur so kann ich mir neue Räume erschließen. Im Osten habe ich einem Bullen, der am Grenzübergang Friedrichstraße stand, eins mit dem Regenschirm drübergezogen - das war die Form, meinem Frust Platz zu verschaffen, - nicht der Pinsel! Ch.B.: Jetzt müssen wir doch wieder den Begriff der DDR verwenden. Du hast zu Deinen DDR- Zeiten viele experimentelle Dinge gemacht: Schmalfilme, Performances. Ist das heute alles ein bißchen in den Hintergrund getreten, malst Du vorrangig? Oder gibt es immer noch die experi- mentierfreudige Conny? C.Sch.: Ich habe die Schmalfilme oder Performances gar nicht als Experiment gesehen, es war nur eine andere künstlerische Form, die sich aus einer Situation ergab. Mich langweilten die DEFA- Filme, die waren unkünstlerisch - ich wollte es besser machen, daß es nur Super 8-Filme waren, störte mich dabei nicht. Zur Zeit arbeite ich an eher stillen Bildern, da mich Stille mehr provo- ziert als Aktion. Das »in sich Ruhende« ist ein Luxus, den ich selber leider nicht leben kann, ich kann es mir aber leisten, solche Bilder zu malen. Mit Sicherheit werde ich keine Performances mehr machen, es hat sich bei mir 'ausperformancet', es sei denn ein herrenloses Klavier steht irgendwo rum, und die Zuhörer haben schon vorher das Weite gesucht. Auf die Performances stürzten sich im Westen ja viele Frauen, da dies eine Kunstform war, die traditionell nicht von Männern besetzt war wie die Malerei, da es darin keine Tradition gab. Hier konnten die Frauen ihre Befindlichkeiten austoben, ohne daß sie dem Vergleich mit den »Heroen« der Kunstge- schichte standhalten mußten, wenn sie zu Erfolg gelangen wollten. Ich liebe aber die »Heroen« und hasse die »Alternativen« - das heißt, ich stelle mich bewußt in den Kontext der durch Männer geprägten Traditionslinie der Malerei! Ch.B.: Jetzt wollen wir aber endgültig weg von Ost/West. Du bist schließlich weiter in der Welt herumgekommen, Du warst längere Zeit in Indonesien und hattest auch ein Stipendium in New York. Was hatten diese Reisen für Dich für eine Bedeutung, was hast Du von diesen Reisen in künstlerischer Hinsicht mitgebracht? C.Sch.: Ich nehme auf jede Reise immer ein großes Skizzenbuch mit, und das Schöne daran ist, ich setze mich an den Straßengraben und zeichne alles, was mir in den Weg kommt. Daraus ent- steht dann ein Zettelkasten für meine Bilder, eine Collage aus flüchtigen und elementaren Momenten. Diese Reisetagebücher sind dann soetwas wie meine Trophäen aus fremden Ländern. Ch.B.: Persönlich bin ich immer wieder sehr fasziniert von Deinen wunderschönen Zeichnungen insbesondere zum Thema Frauen. Frauen kostümieren sich, bewegen sich elegant, sind verspielt, es herrscht eine lustvolle Stimmung. Steckt hier ein utopisches Element in Deinen Arbeiten, sind es Deine eigenen Sehnsüchte und Wünsche, die sich hier darstellen? C.Sch.: Ich denke, es ist schon eine Form von Selbstutopie, dieser Blick auf das Selbst ist eine romantische Vorstellung von einem friedlichen Miteinander. Auf diesen Bildern sind große und kleine Figuren, jede Figur hat ihren Platz, und sie treten nicht in Aggression zueinander. Ich erin- nere mich an meine erste Zeichnung, die ich gemacht habe, es war im Religionsunterricht, wir sollten das Paradies zeichnen, und da habe ich Löwen, Mäuse, Tiger, Katzen und Schafe und alles im friedlichen Miteinander gezeichnet. Vielleicht habe ich mir diese kindliche Vorstellung be- wahrt, den romantischen Blick, daß das Große mit dem Kleinen kann, und daß diese gegensätz- lichen Dinge miteinander sind, ohne sich zu zerstören, - dies lebe ich allerdings nur beim Zeichnen aus. Meine Malerei ist mehr von der Verzweiflung geprägt, diese Sehnsucht in der Wirklichkeit nicht realisieren zu können. Ch.B.: Zum Schluß möchte ich Dich fragen Conny, ob es künstlerische Wünsche in Dir gibt, |
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Das Interveiw wurde zuerst veröffentlicht in: Cornelia Schleime, Arbeiten von 1985 - 1996, Hrsg. Galerie Michael Schultz, Berlin 1996 | |||||||
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